Aktuelles

Artikel BERLINER MORGENPOST vom 23. 8. 2012

Kritik 30 009 CC1

Artikel von Dr. Frank Wecker
ZWANGSRÄUMUNG WIRD NACH 35 JAHREN VOLLZOGEN
250 Prozent Spekulationsgewinn

Berlin-Charlottenburg
Nach der “Tribüne” und den mit enormem Kraftaufwand halbwegs
gesicherten Ku`dammbühnen droht nun dem nächsten Charlottenburger
Theater von Weltrang allein aufgrund von Immobilienspekulationen das Aus:
den Freien Theateranstalten Berlin am Klausenerplatz.
Das Haus wurde am 27. Mai 2009 aus dem Bestand der landeseigenen
Gewobag im Paket mit weiteren Gebäuden an einen Privatmann zu einem
geschätzten Einzelpreis von 300.000 Euro verkauft. Vier Monate später,
am 23. September 2009 wurde es für 1.050.000 Euro weiterverkauft.
Das ergibt einen Spekulationsgewinn von 250 Prozent. Durch den
Umbau des denkmalgeschützten Gebäudes lässt sich mit Eigentums-
wohnungen noch viel mehr herausschlagen. Aus diesem Grund dürfen
die Künstler jeden Tag mit der Zwangsräumung rechnen.
Markenzeichen der Freien Theateranstalten ist die mittlerweile auf 14 Folgen
angewachsene Produktion
Ich bin`s nicht, Adolf Hitler ist es gewesen” von Hermann van Harten. Davon
‘hat es mittlerweile 5000 Vorstellungen gegeben, die unter anderem von
Schulklassen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum besucht werden.
Es ist politisches Theater, das mit dokumentarischen Mitteln, den Wurzeln
des Nationalsozialismus nachgeht.
Die Bühne ist von noch grösserer historischer Bedeutung. Der Autor dieses
historischen Dramas, Hermann van Harten, hat die Bühne gemeinsam mit dem
neben Brecht bedeutendsten deutschsprachigen Dramatiker des 2o. Jahrhunderts,
Heiner Müller, gegründet. Hier arbeiteten sie beide an den Stücken “Hamletmaschine”
und “Philoktet”, dessen Premiere am 1. November 1978 die Geburtsstunde dieser
Bühne ist. Damit hat das Haus einen festen Platz in der deutschen Theatergeschichte.
   Das Künstlerhaus K.19 hat aber auch einen Platz in der Westberliner Geschichte.
 Als in den 70er Jahren die Abrißbirne das Stadtbild dominierte, versuchten Bürger,
bedeutsame Kulturgüter zu schützen. Der Birne sollten auch die früheren Miets-
kasernen am und um den Klausenerplatz 19,zum Opfer fallen.In dem Fabrikgebäude,
 das damals noch an der Außenwand einen Lastenaufzug hatte, wurden
 “altes Eisen” wie Türen und Balkone gesichert.
Zu dieser Zeit sah sich die freie Theatergruppe “Verein zur Förderung szenisch-
dramaturgischer Arbeit”, die damals die Gustav-Böß-Freilichtbühne  im Volkspark
Jungfernheide bespielte, nach neuen Räumen um. Zu der Gruppe gehörte auch
Ginka Tscholakowa, die Ehefrau Heiner Müllers, die dann die Idee hatte, das “Eisenlager”
zu bespielen. Doch dazu musste das Haus besetzt werden.. Die “K.19” war das zweite
besetzte Haus in Berlin. In der Folge wurde nicht nur dieses Haus gerettet, sondern der
gesamte Kiez wurde Sanierungsgebiet. Die “K.19” wurde von Künstlern instandbesetzt, das
heisst, sie sanierten das Gebäude aus eigener Kraft und schafften den heutigen
Verkaufswert. Es gab hier nicht nur Theater, sondern auch Lesungen, Ausstellungen und Musik.
Noch heute leben und arbeiten hier Bildhauer, Maler, Designer und Musiker, denen allen
die Räumung droht.
Einer der damaligen Sympathisanten war der spätere Innensenator Erhart Körting. Er
erinnert sich:”Das Gebäude ist nicht erhalten worden, damit die Eigentümer, damals die
“Neue Heimat”, ein zusätzliches Gebäude zur Verwertung erhalten, sondrn mit der
ausdrücklichen Zweckbestimmung, der “kulturellen Nutzung”. Leider hatte es Erhart Köring
als er Baustadtrat von Charlottenburg war, versäumt, diese Zweckbestimmung in den Bau-
akten zu verankern.
Die Künstler freuen sich über solidarische Unterstützung.
 

Home   Spielplan   Geschichte   Who is who   Impressum   Presse Ausland Dänemark   Aktuelles 
website design software