Artikel von Dr. Frank Wecker ZWANGSRÄUMUNG WIRD NACH 35 JAHREN VOLLZOGEN 250 Prozent Spekulationsgewinn
Berlin-Charlottenburg Nach der “Tribüne” und den mit enormem Kraftaufwand halbwegs gesicherten Ku`dammbühnen droht nun dem nächsten Charlottenburger Theater von Weltrang allein aufgrund von Immobilienspekulationen das Aus: den Freien Theateranstalten Berlin am Klausenerplatz. Das Haus wurde am 27. Mai 2009 aus dem Bestand der landeseigenen Gewobag im Paket mit weiteren Gebäuden an einen Privatmann zu einem geschätzten Einzelpreis von 300.000 Euro verkauft. Vier Monate später, am 23. September 2009 wurde es für 1.050.000 Euro weiterverkauft. Das ergibt einen Spekulationsgewinn von 250 Prozent. Durch den Umbau des denkmalgeschützten Gebäudes lässt sich mit Eigentums- wohnungen noch viel mehr herausschlagen. Aus diesem Grund dürfen die Künstler jeden Tag mit der Zwangsräumung rechnen. Markenzeichen der Freien Theateranstalten ist die mittlerweile auf 14 Folgen angewachsene Produktion Ich bin`s nicht, Adolf Hitler ist es gewesen” von Hermann van Harten. Davon ‘hat es mittlerweile 5000 Vorstellungen gegeben, die unter anderem von Schulklassen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum besucht werden. Es ist politisches Theater, das mit dokumentarischen Mitteln, den Wurzeln des Nationalsozialismus nachgeht. Die Bühne ist von noch grösserer historischer Bedeutung. Der Autor dieses historischen Dramas, Hermann van Harten, hat die Bühne gemeinsam mit dem neben Brecht bedeutendsten deutschsprachigen Dramatiker des 2o. Jahrhunderts, Heiner Müller, gegründet. Hier arbeiteten sie beide an den Stücken “Hamletmaschine” und “Philoktet”, dessen Premiere am 1. November 1978 die Geburtsstunde dieser Bühne ist. Damit hat das Haus einen festen Platz in der deutschen Theatergeschichte. Das Künstlerhaus K.19 hat aber auch einen Platz in der Westberliner Geschichte. Als in den 70er Jahren die Abrißbirne das Stadtbild dominierte, versuchten Bürger, bedeutsame Kulturgüter zu schützen. Der Birne sollten auch die früheren Miets- kasernen am und um den Klausenerplatz 19,zum Opfer fallen.In dem Fabrikgebäude, das damals noch an der Außenwand einen Lastenaufzug hatte, wurden “altes Eisen” wie Türen und Balkone gesichert. Zu dieser Zeit sah sich die freie Theatergruppe “Verein zur Förderung szenisch- dramaturgischer Arbeit”, die damals die Gustav-Böß-Freilichtbühne im Volkspark Jungfernheide bespielte, nach neuen Räumen um. Zu der Gruppe gehörte auch Ginka Tscholakowa, die Ehefrau Heiner Müllers, die dann die Idee hatte, das “Eisenlager” zu bespielen. Doch dazu musste das Haus besetzt werden.. Die “K.19” war das zweite besetzte Haus in Berlin. In der Folge wurde nicht nur dieses Haus gerettet, sondern der gesamte Kiez wurde Sanierungsgebiet. Die “K.19” wurde von Künstlern instandbesetzt, das heisst, sie sanierten das Gebäude aus eigener Kraft und schafften den heutigen Verkaufswert. Es gab hier nicht nur Theater, sondern auch Lesungen, Ausstellungen und Musik. Noch heute leben und arbeiten hier Bildhauer, Maler, Designer und Musiker, denen allen die Räumung droht. Einer der damaligen Sympathisanten war der spätere Innensenator Erhart Körting. Er erinnert sich:”Das Gebäude ist nicht erhalten worden, damit die Eigentümer, damals die “Neue Heimat”, ein zusätzliches Gebäude zur Verwertung erhalten, sondrn mit der ausdrücklichen Zweckbestimmung, der “kulturellen Nutzung”. Leider hatte es Erhart Köring als er Baustadtrat von Charlottenburg war, versäumt, diese Zweckbestimmung in den Bau- akten zu verankern. Die Künstler freuen sich über solidarische Unterstützung.
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